Eberts Werke haben immer einen architektonischen Bezug, indem sie Geländer andeuten, Banken und Säulen in die Darstellung (und auch in die Statik) einbetten. Beispielhaft für diese typisch Ebert‘sche Darstellungsform stehen seine Werke „Geld im Wandel der Zeit“, „Freundschaft verbindet“, „Sich Zeit nehmen“, „Lebenskreis“ oder „Lebensbrunnen“. Herausragend ist dabei seine Fähigkeit, dem Ganzen einen Rahmen zu geben, um Räume zu öffnen oder durch Hinzufügen von Bezugsobjekten Größenordnungen zu offenbaren.
Bevor Jürgen Ebert seine Ideen plastisch umsetzt, nimmt er sich viel Zeit, um die Räume auf sich wirken zu lassen, sie wahrzunehmen und sich bereits exakt vorzustellen, wie und wo eine einzelne Skulptur bzw. ein Skulpturenensemble später zu stehen kommt. Dieses Vorstellungsvermögen begleitet und prägt seine spätere Arbeit im heimischen Atelier, denn in jedem Gestaltungsschritt bedarf es des Empfindens, wie die Skulptur den Raum später zu prägen, zu ergänzen oder zu bestimmen vermag. Seine Skulpturen und Figurengruppen entwickeln somit ein ganz eigenes Verhältnis zu dem sie umgebenden Raum, sie dienen auch dazu, einen Bezug zwischen dem „Hier und Jetzt“ und dem „Dort und Dann“ herzustellen.
Seine Kunstwerke stehen mit der Umgebung in vielschichtiger Art und Weise in Verbindung. Sie fügen sich in ihre Umgebung ein oder mit ihnen gestaltet Jürgen Ebert bewusst einen Kontrast. Die Beziehung wird vordergründig durch Formgebung hergestellt. Hintergründig und gleichsam oftmals nur indirekt spürbar spielen Sichtbezüge, Raumabfolgen und Wegeführungen eine entscheidende Rolle für den Bezug zwischen Kunstwerk und Umgebung.
„Sich Zeit nehmen“
Die Figurengruppe „Sich Zeit nehmen“ wird geprägt vom Gespräch zweier, junger Frauen, die auf einer Bank sitzen. Inmitten der alltäglichen Hektik verweilen sie und nehmen sich Zeit füreinander, um über dies und das zu sprechen. Die anregend Erzählende begleitet ihre Worte mit gestikulierenden Handbewegungen. Die Zuhörende zeigt trotz ihrer ruhigen, entspannten Sitzhaltung mit ihrer
zuwendenden Kopfdrehung und direktem Blickkontakt, dass sie aufmerksam zuhört. Hinter ihnen sitzt ein Mann, interessiert schauend, vielleicht sogar dem Gespräch lauschend. Ganz offensichtlich las er eben noch die Zeitung, die er sinken lässt, um sich dem Gespräch der beiden Mädchen zuzuwenden. Ist es ein freundliches oder doch eher ein argwöhnisches Lächeln, das seinen Mund
umspielt? Jürgen Ebert spielt auch hier ganz bewusst mit einer gewissen Doppeldeutigkeit und überlässt die Interpretation letztlich dem Betrachter.
Ebenfalls Teil der Figurengruppe ist – möglicherweise erst auf den zweiten Blick wahrgenommen – eine Katze, die von allem scheinbar unbeeindruckt ihrem Spiel fröhnt, als Symbol der Geborgenheit.
„Geld im Wandel der Zeit“
Zuweilen umfahren seine Figurengruppen größere Areale, wie beispielsweise die Figurengruppe „Geld im Wandel der Zeit“. Die siebenteilige Gruppe wurde von der Sparkasse Höxter für die Haupstelle in Brakel in Auftrag gegeben. Jürgen Ebert kreierte eine Figurengruppe, die ein großes Areal umspannt und die beiden weit auseinander liegenden Eingänge auf einer gemeinsamen Ebene zueinander führt. Die als Glücksbringer konzipierten Münzen dienen als Symbol für das Leben und die in ihm immer wieder aufkeimende Hoffnung. Sie liegen scheinbar „irgendwo“ auf dem Boden, bilden einen wichtigen Bezugspunkt für vier der insgesamt sieben menschlichen Skulpturen. Alle vier eint das Optische. Die Mutter, die das nach den Münzen strebende Kind fest an der Hand hält, gehört zur Teilgruppe der drei restlichen Figuren, die miteinander akustisch und optisch in Beziehung stehen.
Bemerkenswert ist hierbei nicht nur, dass die Stadt – einem entsprechenden Vorschlag des Künstlers folgend – einer besonderen Pflasterung des Bodens zustimmte, sondern auch, dass sie dem Künstler die Erlaubnis erteilte, seine Figuren auch auf dem Gehweg zu installieren. Somit ist die Figurengruppe Teil des urbanen Treibens, von dem sie Tag für Tag umgeben ist.
Jürgen Ebert positioniert seine Einzelskulpturen und Figurengruppen auf der zur Verfügung stehenden Fläche. Die Gestalt der Skulptur, seine Form und Kubatur, seine Proportion, das alles sind ästhetische Aspekte, die er nicht zwingend von einer Funktion ableitet und ihr gleichzeitig eine zentrale Funktion, nämlich die des Kommunizierens, überantwortet. Ebenso wie bei Architektur so ist es auch Jürgen Ebert wichtig, dass seine Kunstwerke „funktionieren“ – im ästhetischen und nicht-technischen Sinne.
„Aus der Erfahrung von …“
Er verwendet vorzugsweise Bronze, doch befasst er sich auch mit anderen Materialien, so beispielsweise für seine Großplastik „Aus der Erfahrung von …“ mit Edelstahl (Seite 110 –113). Das 2,70 Meter hohe und 800 Kilogramm schwere Kunstobjekt rückt Abfallentsorgung in einen anderen Blickwinkel. Jürgen Ebert ist es durch Materialeigenschaften, Formen und Größe gelungen, Wahrnehmung zu aktivieren, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Interesse zu wecken. Die eingearbeiteten Bronzeobjekte erlauben es dem Beobachter, dass er Zusammenhänge erkennt, die sich in den Meilensteinen zwischen vorchristlichen Epochen und dem Heute des 21. Jahrhunderts auftun.
Der Abfallbehälter „MGB 240“, der heute fester Bestandteil unseres Alltags ist, dient als dreidimensionaler Träger für die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Hygiene in der Menschheit mit all ihren Höhen und Tiefen. Acht Bronzeobjekte in den unterschiedlich ausgeschnittenen Eckbereichen der Edelstahltonne zeigen die wichtigsten geschichtlichen Stationen. Sie beginnen 3700 v. Chr. mit der Induskultur und reichen bis in die heutige Zeit der Mülltrennung. Jedes Bronzeobjekt ist in einen eigenen formalen Ausschnitt eingearbeitet und unterstützt somit den gestalterischen Spannungsbogen der Durchbrüche. Auf dem oben umlaufenden Rand befindet sich die Kernaussage mit dem ausgelaserten Schriftzug: „Aus der Erfahrung von gestern – Wissen von heute – für die Lösungen von morgen“.
Der künstlerische Gedanke wurde von Jürgen Ebert mit der Auswahl der Materialien bis an die Grenzen der handwerklichen Umsetzbarkeit ausgereizt. Um den 270 Zentimeter hohen MGB in seiner monumentalen, dreidimensionalen Form scheinbar der Wirklichkeit zu entziehen („entmaterialisieren“) und gleichzeitig aber als Spiegelbild unseres Umweltverständnisses erscheinen zu lassen, wählte er nicht Bronze als Material, sondern hochglänzenden Edelstahl. Der MGB wurde folglich in vier Millimeter starkem Edelstahl gefertigt und anschließend poliert. Durch diese extreme Oberflächenbehandlung verschmilzt die Umgebung mit dem MGB als Spiegelbild und verlangt vom Betrachter eine genauere Auseinandersetzung und Wahrnehmung mit dem Objekt. Die einzelnen Bronzeobjekte modellierte Ebert nicht in Ton, sondern mit seinem Lieblingsmedium Wachs. Mit diesem besonderen Werkstoff konnte er in „spielerischer Leichtigkeit“ seine Gedanken formen und darstellen. Die geschichtlichen Darstellungen sind jeweils mit Text versehen, so dass der Betrachter die Gedanken und Absichten des Künstlers in den acht Bronzeskulpturen nachvollziehen kann.
Um den Kontrast zwischen dem hochglänzenden Edelstahl und der dunkleren, nicht spiegelnden Bronze zu reduzieren, hat er für den Betrachter nicht sichtbar, diese Objekte mit kleinen Warmton-LED’s in eine phantastische Lichtszene gesetzt. Durch diese bühnenhafte Inszenierung wird der Spannungsbogen der beiden Materialien – Bronze und Edelstahl – nochmals spürbar verstärkt. Jürgen Ebert veränderte mit dem Kunstwerk die Norm des Originals nicht nur in Größe und Gewicht, sondern passte in Details die Proportionen im Sinne einer fließenden ästhetischen Ausgewogenheit an.